Nationalismus und Liberalismus

Nationalismus und Liberalismus

 

»Nationalismus« (lateinisch natio »das Geborenwerden, das Geschlecht, der Stamm«) bezeichnet eine verstärkte, meist übersteigerte Betonung des Nationalgedankens. Der moderne Nationalismusbegriff entstand mit der Französischen Revolution. Die Freiwilligen der französischen Revolutionsarmeen, die sich in patriotischer Begeisterung mit ihrer Nation identifizierten, zeigten sich den Söldnerheeren der Fürstenmächte weit überlegen.

 

Im Widerstand gegen die napoleonische Fremdherrschaft entstanden überall in Europa nationale Freiheitsbewegungen, zuerst in Spanien, dann in Tirol, in Preußen und in Österreich. Sie drängten nach dem Deba kel der französischen Armee in Russland ihre Regierungen, den Entscheidungskampf gegen den Unterdrücker Europas zu wagen.

 

Ihre Wünsche und Erwartungen fanden jedoch in der restaurativen Friedensordnung des Wiener Kongresses keine Beachtung, vielmehr wurden alle nationalen Regungen, wo sie sich bemerkbar machten, von den reaktionär-konservativen Mächten mit der ganzen Härte ihrer Polizeiapparate verfolgt. In Italien und Deutschland forderte die nationale Bewegung den Zusammenschluss der Einzelherrschaften zu einem gemeinsamen Vaterland. Andere nationale Gruppen suchten ihre Völker von der Fremdherrschaft zu befreien, so z. B. die Griechen im Osmanischen Reich, die Polen gegen die russische Staatsgewalt sowie die Ungarn, Italiener und Slawen im Vielvölkerstaat Österreich.

 

Die nationale Bewegung war in diesen Jahrzehnten bis zu den Revolutionen von 1848/49 nicht von der liberalen Bewegung zu trennen. Zugrundegelegt in der Naturrechtslehre der Aufklärung (etwa bei John Locke oder bei Montesquieu) war auch die liberale Idee in der Amerikanischen wie in der Französischen Revolution in den Menschenrechtserklärungen zum Durchbruch gelangt. Der Liberalismus war die geistige Welt des zu wirtschaftlicher Macht und politischem Bewusstsein gelangten Bürgertums, das Anspruch auf Gleichberechtigung gegenüber den bisher privilegierten Ständen erhob und an den Angelegenheiten des Staatslebens aktiv beteiligt werden wollte. Die Forderung nach einer die Rechte der Bürger schützenden Verfassung wurde deshalb das Hauptanliegen der liberalen Bewegung. Die Fürsten und die den absolutistischen Staat tragenden Kräfte dagegen sahen in den liberalen Forderungen Anzeichen der Auflösung der alten Ordnung und das Herannahen der Revolution.